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06.11.2025

Reiseversicherung: Ausschluss von Pandemie-Schäden wirksam

Eine Jahres-Reiseversicherung darf in einer Klausel festschreiben, dass Schäden durch Pandemien nicht versichert sind. Der Bundesgerichtshof (BGH) sieht darin weder einen Verstoß gegen das Transparenzgebot noch gegen das Verbot einer unangemessenen Benachteiligung. Eine solche Klausel ist deswegen nicht nach § 307 Absatz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) unwirksam.

Geklagt hatte ein der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv), weil er eine Klausel in den Versicherungsbedingungen der von einer Versicherung vertriebenen Jahres-Reiseversicherung für unzulässig hielt.

Nach den beanstandeten Bedingungen waren Schäden nicht versichert, die durch Pandemien entstehen. Im Rahmen der Reise-Krankenversicherung sollte im Ausland Versicherungsschutz bestehen, wenn zum Zeitpunkt der Einreise der versicherten Person keine Reisewarnung des Auswärtigen Amtes der Bundesrepublik Deutschland für das jeweilige Zielgebiet bestand. In Gebieten, für die zum Zeitpunkt der Einreise der versicherten Person eine Reisewarnung bestand, wurde der Versicherungsschutz ausgeschlossen. Im Glossar der Bedingungen erläuterte die Versicherung den Begriff der Pandemie als "eine länder- und kontinentübergreifende Ausbreitung einer Infektionskrankheit."

Die auf Unterlassung der Regelungen in den Versicherungsbedingungen gerichtete Klage des vzbv hatte keinen Erfolg. Die Ausschlussklausel werde den Erfordernissen des Transparenzgebots (§ 307 Absatz 1 Satz 2 BGB) gerecht, meint der BGH.

Der durchschnittliche Versicherungsnehmer könne ihr klar entnehmen, wann die Leistungspflicht des Versicherers ausgeschlossen sein soll. Er werde zunächst vom Wortlaut der Bedingung ausgehen, wobei für ihn der Sprachgebrauch des täglichen Lebens maßgebend ist. Danach bezeichne der Begriff Pandemie eine Infektionskrankheit oder Seuche, die nicht auf ein begrenztes Gebiet beschränkt ist, sondern sich weit, über mehrere Länder und Kontinente verbreitet.

Wende er sich dann dem Glossar der Versicherungsbedingungen zu, werde er auf die Definition treffen, wonach in Übereinstimmung mit dem allgemeinen Sprachgebrauch eine Pandemie eine länder- und kontinentübergreifende Ausbreitung einer Infektionskrankheit ist. Dem Versicherungsnehmer wird laut BGH unmittelbar verdeutlicht, dass maßgeblich für den Begriff der Pandemie deren Ausbreitung ist und es sich um ein Ausbruchgeschehen handeln muss, das sich rasch und weiträumig – über Länder und Kontinente hinweg – verwirklicht und mit einer hohen Zahl an zeitgleich auftretenden Infektionen einhergeht. Er werde daraus folgern, dass von dem Ausschluss ein örtlich begrenztes Infektionsgeschehen (Endemie) nicht erfasst wird.

Dies ergebe sich für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer auch aus dem für ihn erkennbaren Zweck und Sinnzusammenhang der Klausel. Bestärkt werde er in diesem Verständnis durch einen Blick auf die weiteren Ausschlusstatbestände, die in den Versicherungsbedingungen genannt sind. Sie erfassten, soweit sie mit dem Ausschlusstatbestand "Pandemien" vergleichbar sind, Großschadensereignisse mit akuten Gefahren für Leib und Leben der Versicherten.

Für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer sei insoweit auch das Interesse des Versicherers ersichtlich, das für die angebotene Jahres-Reiseversicherung unkalkulierbare Risiko von Schäden auszuschließen, das von Infektionskrankheiten mit außergewöhnlich hoher Ansteckungsgefahr sowie einer länder- und kontinentübergreifenden Ausbreitung und einer sehr großen Anzahl an (schwer) erkrankten Personen ausgeht.

Nach Maßgabe dieser Auslegung könne ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer hier im Hinblick auf die Anforderungen des Transparenzgebots bei Vertragsschluss erkennen, in welchem Umfang er Versicherungsschutz erlangt und welche Umstände seinen Versicherungsschutz gefährden können. Schließlich sei die Ausschlussklausel auch nicht wegen eines Verstoßes gegen das Verbot einer unangemessenen Benachteiligung gemäß § 307 Absatz 1 Satz 1 BGB unwirksam.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 05.11.2025, IV ZR 109/24