20.11.2025
Äußert sich ein Arbeitnehmer gegenüber der Schichtleiterin vulgär, beziehen sich seine Aussagen aber auf die Schichtführung, an der er Kritik übt, so kann es sein, dass seine Kündigung ungerechtfertigt erscheint – so in einem Fall, über den das Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf befunden hat.
Der Kläger arbeitete seit 2020 bei der Beklagten, die als Teil einer Handelsgruppe ein Verteilzentrum betreibt, zuletzt als "Sortation Associate" in Dauernachtschicht. Mit Schreiben vom 09.04.2024 erteilte die Beklagte dem Kläger eine Abmahnung mit dem Vorwurf, seinen Arbeitsplatz verlassen, sowie eine Abmahnung mit dem Vorwurf, Vorgesetzte beleidigt zu haben.
Am 24.08.2024 kam es zu Differenzen mit der neuen Vorgesetzten des Klägers. Die Beklagte behauptet, die Anweisung der Vorgesetzten andere Mitarbeiter zu unterstützen, habe der Kläger ignoriert. Er habe zu dieser gesagt, dass sie ihm nichts sagen könne. Sie sei noch ein Kind. Als diese ihn gebeten habe, die Halle zu verlassen, um sich zu beruhigen, habe der Kläger aufbrausend reagiert und auf Türkisch gesagt: "Du hast die Mutter der Schicht gefickt". Dem widerspricht der Kläger. Er habe in türkischer Sprache gesagt "Du hast die Schichtmutter weinen lassen". Dies bedeute im Deutschen sinngemäß, es werde in der Schicht viel Druck ausgeübt. Der türkische Ausdruck könne leicht missverstanden und mit der unanständigen Version der Beklagten verwechselt werden. Wegen der Entfernung und Lautstärke sei er falsch verstanden worden. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 18.09.2024 ordentlich zum 31.10.2024.
Nachdem seine Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht abgewiesen worden war, hatte der Kläger mit seiner Berufung Erfolg. Das LAG hat über das Geschehen vom 24.08.2024 Beweis erhoben durch Vernehmung der Vorgesetzten, eines bei dem Gespräch anwesenden Kollegen und des Shift-Managers, der mit den Beteiligten nach dem Vorfall gesprochen hatte. Danach hielt das LAG es zwar für erwiesen, dass der Kläger die Äußerungen im Wesentlichen so, wie von der Beklagten geschildert, getätigt hat.
Aus den Aussagen der Zeugen habe sich aber ergeben, dass die Äußerungen nicht als schwerwiegende, persönlich herabwürdigende Beleidigungen gemeint und zu verstehen waren. Es habe sich danach um eine in vulgärer Sprache geäußerte Kritik gehandelt, die sich auf die Art und Weise der Schichtführung als solche bezog. Angesichts der besonderen Umstände einer Konfliktsituation einerseits sowie unter Abwägung der wechselseitigen Interessen andererseits hielt das Gericht den Ausspruch einer Kündigung für unverhältnismäßig.
Das LAG hat die Revision nicht zugelassen.
Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 18.11.2025, 3 SLa 699/24