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30.12.2025

Identitätsklärung im Einbürgerungsverfahren: Stufenmodell fortentwickelt

Im Einbürgerungsverfahren hat der Einbürgerungsbewerber seine Identität zuvörderst und in der Regel durch die Vorlage eines Passes nachzuweisen. Besitzt er keinen solchen und ist ihm dessen Erlangung objektiv nicht möglich oder subjektiv nicht zumutbar, kann er seine Identität auf der zweiten Stufe durch die bislang auf der ersten Stufe hilfsweise genannten Dokumente, namentlich einen anerkannten Passersatz oder ein anderes amtliches Identitätsdokument mit Lichtbild (zum Beispiel Personalausweis oder Identitätskarte), nachweisen. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) entschieden und damit seine Rechtsprechung zum Stufenmodell im Einbürgerungsverfahren präzisiert und fortentwickelt.

Der 1994 geborene Kläger ist seinen Angaben zufolge syrischer Staatsangehöriger. Nach Einreise in das Bundesgebiet im Februar 2014 wurde ihm die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt und im Anschluss hieran zunächst eine Aufenthaltserlaubnis und seit Februar 2019 eine Niederlassungserlaubnis erteilt. Seinen Antrag auf Einbürgerung in den deutschen Staatsverband lehnte der Beklagte ab, da der Kläger nicht bereit sei, zum Nachweis seiner Identität einen syrischen Nationalpass zu beantragen.

Das Verwaltungsgericht (VG) hat den Beklagten verpflichtet, den Kläger in den deutschen Staatsverband einzubürgern, da dieser seine Identität durch die Vorlage der syrischen Identitätskarte nachgewiesen habe. Das BVerwG hat der hiergegen eingelegten Sprungrevision des Beklagten stattgegeben.

Unter Verstoß gegen § 10 Absatz 1 Satz 1 Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG) sei das VG davon ausgegangen, dass für die Klärung der Identität des Klägers auf der ersten Stufe des Stufenmodells die Vorlage einer Identitätskarte ausreichend ist. Den Nachweis seiner Identität habe der Einbürgerungsbewerber auf der ersten Stufe zuvörderst und in der Regel durch die Vorlage eines Passes zu führen, so das BVerwG. Ein solcher Pass als öffentliche, internationale Anerkennung genießende staatliche Urkunde enthalte die völkerrechtlich verbindliche Erklärung des ausstellenden Staates, dass der Inhaber sein Staatsangehöriger ist, wie auch die rechtsverbindliche Feststellung weiterer identitätsprägender Angaben.

Besitzt der Einbürgerungsbewerber keinen solchen Pass und ist ihm dessen Erlangung objektiv nicht möglich oder subjektiv nicht zumutbar, könne er seine Identität auf der zweiten Stufe durch die bislang auf der ersten Stufe hilfsweise genannten Dokumente, namentlich einen anerkannten Passersatz oder ein anderes amtliches Identitätsdokument mit Lichtbild, nachweisen.

Ist er auch nicht im Besitz eines solchen amtlichen Identitätsdokuments und ist ihm auch dessen Erlangung objektiv nicht möglich oder subjektiv nicht zumutbar, so könne er seine Identität wie bisher auch mittels der in den bisherigen Stufen 2 bis 4 vorzulegenden Beweismittel, die nunmehr in den Stufen 3 bis 5 eingruppiert sind, nachweisen.

Laut BVerwG ist ein Übergang von einer Stufe zu einer nachgelagerten Stufe nur zulässig, wenn es dem Einbürgerungsbewerber trotz hinreichender Mitwirkung nicht gelingt, den Nachweis seiner Identität zu führen. Die auf den Stufen 1 bis 5 zu berücksichtigenden Beweismittel müssten jeweils in sich stimmig sein und auch bei einer Gesamtbetrachtung jeweils im Einklang mit den Angaben des Einbürgerungsbewerbers zu seiner Person und seinem übrigen Vorbringen stehen. Dabei seien die vorgelegten Dokumente nach den Umständen des Einzelfalls auch auf ihren Beweiswert zu überprüfen.

Da das BVerwG als Revisionsgericht an der Feststellung, ob dem Kläger die Vorlage eines Passes zur Identitätsklärung auf der ersten Stufe objektiv unmöglich oder subjektiv unzumutbar ist, sowie an der Klärung der übrigen Anspruchsvoraussetzungen, namentlich des § 10 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1a StAG, gehindert ist, hat es das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das VG zurückverwiesen.

Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 18.12.2025, BVerwG 1 C 27.24