03.07.2025
Wendet ein Patient seinem Hausarzt etwas von Todes wegen zu, so ist die Zuwendung nicht deshalb unwirksam, weil sie gegen ein den Hausarzt treffendes berufsständisches Zuwendungsverbot verstößt. Das stellt der Bundesgerichtshof (BGH) klar.
Ein Mann hatte mit einem Hausarzt vor einem Notar eine als "Betreuungs-, Versorgungs- und Erbvertrag" bezeichnete Vereinbarung geschlossen. In dieser verpflichtete sich der Arzt gegenüber dem Erblasser zu verschiedenen ärztlichen Leistungen, unter anderem zu medizinischer Beratung und Behandlung, zu Hausbesuchen und telefonischer Erreichbarkeit sowie zu Betreuungsleistungen im häuslichen Bereich. Als Gegenleistung sollte er bei Tod des Erblassers das Eigentum an einem dem Patienten gehörenden Grundstück erhalten. Außerdem setzte der Erblasser mit notariellem Testament eine Dritte als Erbin seines restlichen Vermögens ein.
Diese nahm den Nachlass nach dem Tod des Erblassers in Besitz. Wenig später wurde der bedachte Arzt zahlungsunfähig. Der Insolvenzverwalter über sein Vermögen verlangte von der Erbin die Übertragung des dem Arzt zugewandten Grundstücks an die Insolvenzmasse.
Die Klage blieb in erster und zweiter Instanz erfolglos. Das Berufungsgericht legte die Zuwendung des Grundstücks an den Hausarzt als Vermächtnis aus, erachtete dieses aber als unwirksam gemäß § 134 Bürgerliches Gesetzbuch, weil es gegen ein gesetzliches Verbot verstoße. Dem Hausarzt sei ein standesrechtlicher Verstoß gegen § 32 Absatz 1 Satz 1 der Berufsordnung der örtlich zuständigen Ärztekammer Westfalen-Lippe (BO-Ä) vorzuwerfen.
Nach dieser Vorschrift ist es nicht gestattet, von Patienten oder anderen Geschenke oder andere Vorteile für sich oder Dritte zu fordern oder sich oder Dritten versprechen zu lassen oder anzunehmen, wenn hierdurch der Eindruck erweckt wird, dass die Unabhängigkeit der ärztlichen Entscheidung beeinflusst wird.
Der BGH tritt der Vorinstanz entgegen: Die Zuwendung des Grundstücks im Wege des Vermächtnisses sei nicht wegen eines möglichen Verstoßes gegen § 32 Absatz 1 Satz 1 BO-Ä unwirksam.
Diese berufsständische Vorschrift regele das Verhältnis zwischen dem Arzt und der für ihn zuständigen Landesärztekammer. Sie ziele darauf ab, die Unabhängigkeit des behandelnden Arztes sowie das Ansehen und die Integrität der Ärzteschaft zu sichern. Dies könne durch berufsrechtliche Sanktionen von Seiten der Ärztekammer ausreichend sichergestellt werden. Von dem Verbot nicht geschützt werde der zuwendende Patient oder die Erwartung seiner Angehörigen, diesen zu beerben.
Auch die in Artikel 14 Absatz1 Satz 1 Grundgesetz geschützte Testierfreiheit verbiete es, ein zugunsten des behandelnden Arztes angeordnetes Vermächtnis wegen Verstoßes gegen § 32 Absatz 1 Satz 1 BO-Ä für unwirksam zu halten. Für eine Beschränkung der Testierfreiheit des Patienten fehlt laut BGH schon eine ausreichende gesetzliche Grundlage. Gesetzgeberische Entscheidungen, die für die Ausübung von Grundrechten wie der Testierfreiheit wesentlich sind, müssten durch den Gesetzgeber in einem Parlamentsgesetz getroffen werden. Sie dürften nicht anderen Normgebern, wie hier einem Berufsverband, überlassen werden.
Der BGH hat deshalb das Berufungsurteil aufgehoben. Er hat die Sache zurückverwiesen, weil zu prüfen sei, ob die Zuwendung sittenwidrig ist. Die Parteien müssten Gelegenheit haben, dazu vorzutragen
Bundesgerichtshof, Urteil vom 02.07.2025, IV ZR 93/24